Die Grenzen der Osteopathie liegen genau dort, wo bei einem Patienten etwas akut auftritt, wo sich ein komisches Gefühl ausbreitet, wo etwas plötzlich und neu ist. Klassisches Beispiel: Ein Patient hat Beschwerden in der linken Thoraxhälfte. Dies sollte zunächst wie ein Herzinfarkt behandelt und erst kardiologisch/internistisch abgeklärt werden, ehe ggf. anschließend der Gang zum Osteopathen erfolgt. Safety first!
Es ist unsere Aufgabe, zusammen mit dem Patienten die größtmöglichen Hebel zu finden, um das Problem zu lösen. Dafür ist es wichtig, uns fortlaufend zu hinterfragen, um so tief wie möglich in die Ursachenforschung zu gehen. Trotzdem wird es nie unumstößlich abschließend zu beantworten sein. Der menschliche Körper gibt uns fortwährend Rätsel auf – da gibt es keine ultimative Wahrheit.
Abenteuer Behandlung
Daraus resultiert: Wir als Osteopathen behandeln nicht ERGEBNIS-, sondern ERLEBNIS-orientiert. Mit Erlebnis ist gemeint, die Selbstlösungskraft des eigenen Körpers zu erleben, die durch den Behandlungsimpuls entfesselt wird. Das Ergebnis ergibt sich daraus automatisch.
Bedeutende körperliche Veränderungen gehen mit intensiven Erlebnissen einher.
Fabian Müller
Eine Behandlung ist auch ein gewisses Abenteuer, weil beide Seiten nicht wissen, wohin die Reise hinführt. Manchmal ist es der erste Schritt in die richtige Richtung, manchmal erweist er sich als Sackgasse, manchmal braucht es stattdessen eine psychotherapeutische Behandlung oder Operation. Ein Abenteuer, dessen Ausgang ungewiss ist.
Selbst wenn die osteopathische Behandlung für manche Patienten nicht zur absoluten Lösung des Problems führt, kann sie einen wertvollen Erkenntnisgewinn darstellen. Womöglich bringt die Behandlung Gewissheit, dass eine schulmedizinische Behandlungsempfehlung tatsächlich unumgänglich und der richtige Weg ist.
Was unterscheidet gute von schlechter Osteopathie?
Gute Osteopathie erkennt ihre Grenzen an und erhebt keinen Allmachtsanspruch. Führt es zu etwas? Ist es effizient und effektiv? Oder führt es in eine Sackgasse?
Ein guter Osteopath weiß: Es gibt keine Blaupause, kein Schema F für eine Behandlung, die sich für jeden Patienten eignet (also kein „one size fits all“). Für jeden Patienten gilt es, den ganzen Menschen zu betrachten, mit Empathie und Erfahrung hineinzuhören und das Gesamtbild zu zeichnen.
Deshalb ist Osteopathie, vor allem der Ersttermin mit gründlicher Anamnese, zeitaufwändig: Jeder Körper bringt seine eigene, individuelle Geschichte mit, die es zu ergründen gilt.
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