Wissen über intuitives manuelles Behandeln

Zwerchfelltrauma

Mountainbiker im Augenblick des Sturzes. Er fliegt über den Lenker, im Hintergrund Berge und Sonne.

In den nächsten Absätzen beschreiben wir, was ein Zwerchfelltrauma ist, was dabei passiert und wie es sich wieder lösen lässt.

Damals in der Grundschule. Auf dem Schulhof bekam ich einen Tritt in den Magen, flog nach hinten und landete auf dem Rücken – mit einem Schlag blieb mir komplett die Luft weg. An die Angst, zu ersticken, kann ich mich auch Jahre später noch gut erinnern.

Was war passiert?

Vorab: Ein Trauma ist im Wortsinn eine Verletzung, die durch Gewalteinwirkung entstanden ist. Neben psychischen Traumata, etwa ausgelöst durch schlimme Erfahrungen, sind körperliche Traumata Wunden und Verletzungen am Körper: ein Bruch, eine Schnittwunde oder innere Verletzungen gehören dazu.

Unser Hauptatemmuskel ist das Zwerchfell. Es ist eine große kuppelartige Muskelplatte, die sich einmal quer durch den gesamten Oberkörper spannt. Wird es durch stumpfe Gewalteinwirkung (oder starke emotionale Überforderung) irritiert, kann es uns den Atem verschlagen.

Bei meinem Grundschulerlebnis spannte das Zwerchfell durch die unerwartete Schreckreaktion so sehr an, dass ich zunächst keine Luft bekam. Dies war eine Form von Zwerchfelltrauma.

Im Fall eines Zwerchfelltraumas ist keine Verletzung ersichtlich: Es kommt weder zu Brüchen, Rissen noch Blutungen. Es muss nicht zwingend eine Schädigung an der Struktur vorliegen.

Ein Zwerchfelltrauma kann beispielsweise durch einen Sturz auf den Rücken, einen Schlag in den Bauch (stumpfes Trauma) oder auch emotionale, starke Schreckmomente ausgelöst werden.

Mann der von Leiter auf dem Rücken auf Holzboden aufschlägt.
Auch ein harmloser Sturz, bei dem nichts kaputt gegangen ist, kann uns den Atem Verschlagen und das Zwerchfell in eine dauerhafte Verspannung bringen.

Der Muskel Zwerchfell arbeitet normalerweise harmonisch und sorgt für ein balanciertes, langsames Ein- und Ausatmen. Auch wenn wir in Bewegung sind und uns anstrengen, vollführt das Zwerchfell diese Aufgabe – nur in einem schnelleren Rhythmus.

Ein physisches Trauma – etwa ein Schlag oder Sturz auf den Rücken oder Bauch – erschüttert dieses konstant arbeitende Konstrukt. Es kommt zu einer reflektorischen Verspannung, also aus einem Reflex heraus. In diesem Moment geht nichts mehr: weder aus- noch einatmen.

In diesem Fall wehrt sich das eigentlich sehr flexible Zwerchfell gegen den Aufprall, indem es verhärtet. Oft hält dieser Zustand nur wenige Sekunden an, die uns jedoch ewig erscheinen können, bis diese reflektorische Verspannung nachlässt und Atmen wieder möglich ist.

Bildgebende Verfahren wie Röntgen oder MRT liefern keinen Befund, aber es bleiben Probleme zurück:

Die Verspannung im Zwerchfell, die mit dem Erstickungsgefühl verknüpft wird, kann sich in Teilen oder Gänze über den Schreckmoment hinaus festsetzen. Der Schreck bleibt sozusagen im Muskelgedächtnis bestehen. Die Verspannung irritiert das Zentralgeflecht – ähnlich wie ein Knoten durch zu viel Festigkeit, Verkürzung und Bewegungseinschränkung. Oder die Verspannung bleibt in Teilen bestehen und irritiert die Umgebung des Zwerchfells, das Zentralgeflecht.

Die Folgen sind ganzkörperliche Symptome, auch funktionelle Erkrankungen können sich daraus entwickeln, z.B. Herz-Rhythmus-Störungen, Blutdruckschwankungen, emotionale Labilitäten (weniger belastbar, schneller reizbar u. a.) und Schmerzen in der Zwerchfellgegend (möglicherweise Schmerzen in der Magengrube oder im Lendenwirbelbereich) oder weit entfernt davon.

Die Methode Lockieren® hat zum Ziel, Spannung im Zentralgeflecht zu harmonisieren und wieder in Balance zu bringen. Osteopathen schauen, wo im Körper noch Restspannung vorhanden ist, die ggf. auf das Zentralgeflecht wirkt. Um im Beispiel zu bleiben: Beim Sturz auf den Rücken kann dort eine Verspannung im Rücken entstehen, die sich auf das Zwerchfell auswirkt.

Und die Probleme im Zwerchfell wiederum können den Bereich der Wirbelsäule beeinträchtigen, an dem das Zwerchfell befestigt ist. Wir haben hier also ein klassisches Sozusagen das Henne-oder-Ei-Problem:

Schmerzt der Rücken wegen des Zwerchfells oder schmerzt das Zwerchfell wegen des Rückens? Im Ergebnis macht es keinen Unterschied, ist aber wichtig für die Ursachenbekämpfung.

Ein Beispiel: Ich habe Schulterschmerzen, weil dort die Muskulatur verkürzt ist. Den Arm zu dehnen oder mobilisieren, bringt wenig. Stattdessen bringe ich den Muskel „wieder in die Spannung hinein“.

„Der Weg aus der Spannung führt nochmal hindurch.“

Fabian Müller

In der Praxis sieht das so aus:

Der Osteopath greift den betroffenen Muskel so, dass er ihn nicht einengt oder daran zieht. Er spürt, wo die Spannung liegt und bringt den Muskel dorthin, wo er hinziehen will – und das ist eben oft nicht in die Länge, sondern in die Verspannung hinein. Der Osteopath hilft ihm sozusagen dabei, sich von beiden Enden dem Knoten anzunähern: Indem er versucht, ihn zusammenzuschieben, passiert auf körperlicher Ebene der gewünschte „Release“ – das Loslassen, die Entspannung. Das macht der Körper von allein.

Stell Dir ein Seil vor. In der Mitte hat sich ein Knoten gebildet, wo es sich verheddert hat. Wenn Du nun an beiden Enden des Seils ziehst, wirst Du den Knoten nicht lösen. Im Gegenteil: Du zurrst ihn nur noch fester. Genau so verhält es sich mit einem Muskel: Die Verspannung entspricht dem Knoten. Wenn Du Dich intensiv stretchst, um den Muskel zu dehnen, bewirkst Du genau das Gegenteil: Die Verspannung löst sich nicht.

Lies hier weiter, wenn Du wissen möchtest, wie ein verspanntes Zwerchfell denn Körperkern (Zentralgeflecht) von innen schief bewegt: Die 3 Atemachsen


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