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Wie das Zwerchfell die Gesundheit beeinflusst

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Das Zwerchfell, oft nur als Atemmuskel bekannt, spielt eine wesentlich größere Rolle in unserem Körper, als wir annehmen. In diesem Artikel enthüllen wir, wie dieser unterschätzte Muskel weit mehr als nur die Atmung ausführt und die Gesundheit beeinflusst.

Wir stellen Euch das Zwerchfell als Dreh- und Angelpunkt des Körpers vor: Es wird zwar oft unterschätzt, ist jedoch als unser Hauptatemmuskel an allen relevanten Mechanismen im Körper beteiligt, pumpt die Lungen, bewegt das Herz, hilft bei Statik und Aufrichtung, hängt eng mit Verdauung und Rückenschmerzen zusammen – die Funktionen unseres Zwerchfells sind enorm vielfältig. Daher ist sein Stellenwert für das Gesundwerden und -bleiben riesig, den wir uns im Folgenden anschauen werden.

Wenn bei Patienten oder uns selbst körperliche Beschwerden vorliegen, ist eines wichtig: Wir dürfen uns nicht von Symptomen blenden lassen. Stattdessen müssen wir immer den Kontext sehen und versuchen, das „Big Picture“ zu sehen.

In unserer Betrachtung spielt das Zwerchfell daher eine entscheidende Rolle: Über das Zwerchfell können wir komplexe Probleme einfach lösen – also solche, die keine auf den ersten Blick erkennbare Ursache haben oder schulmedizinisch nicht erfassbar sind.  

Was meiner Gesundheit zuträglich ist, ist gleichzeitig das, was ich in „höherer Dosierung“ brauche, um sie Gesundheit wiederherzustellen. Dafür gibt es keine universell gültige Messbarkeit, sondern dies ist ganz individuell. Ein Beispiel: Schlaf ist gesundheitsfördernd. Bei Krankheit kann vermehrter Schlaf heilen – hier erhöhe ich sozusagen die Dosis.

Die Rolle des Zwerchfells auf unsere Gesundheit können wir in zwei Einflussbereiche gliedern: Es kann direkten wie indirekten Einfluss nehmen.

Der direkte Einfluss

Auf die Atmung

Das Zwerchfell nimmt direkt Einfluss auf die Lungen. Es ist unser Hauptatemmuskel, der durch seine ständige, dynamische, harmonische Kontraktion (Zusammenziehen und Entfalten) die Lungen pumpt. So gelangt in unsere Organe und Muskeln Sauerstoff und wird unser Zwerchfell zu einem essentiellen Energielieferanten. Ohne das Zwerchfell würde die Luft über Zwischenrippenmuskeln und Atemhilfsmuskeln nur ungünstig ausgetauscht. Bei seiner Arbeit verbraucht das Zwerchfell selbst natürlich auch Energie (u.a. in Form von Sauerstoff, doch liefert aber mehr, als es verbraucht.

Auf den Kreislauf

Durch die Sog- und Pumpwirkung unterstützt das Zwerchfell die Funktion des Herzens. Es pumpt vor allem den venösen Blutkreislauf und hilft bei der gesamten Grundversorgung des Körpers: Es kurbelt den Kreislauf an, unterstützt das Herz, pumpt die Lungen für den Gasaustausch.

Auf die Körperstatik

Auch unsere Körperhaltung/-fehlhaltung wird vom Zwerchfell geprägt, dem eine stabilisierende und mobilisierende Funktion von innen zukommt – ganz im Sinne von „die wahre Kraft kommt aus der Mitte heraus“. Einerseits stabilisiert das Zwerchfell den inneren Kern, andererseits muss es auch Bewegung zulassen, damit unser Zentrum im Körperstamm beweglich bleibt.

Wie hängen nun Zwerchfell und Körperstatik zusammen? Der Teil unseres Körpers, der gut geschützt ist, ist die Brustwirbelsäule mit dem Brustkorb: Lungen und Herz liegen hinter den Rippen wie in einem Tresor – stabil und flexibel zugleich. Die Brustwirbelsäule ist allgemein etwas weniger beweglich. Dafür sind die Lendenwirbelsäule und Halswirbelsäule wieder mehr beweglicher.

Deren Gesundheit ist davon abhängig, wie es in der Mitte an den jeweiligen Übergängen zur Brustwirbelsäule aussieht. Für die Statik und Biomechanik des Körpers brauchen wir Festigkeit, die nachgeben kann – wie ein Baum, dessen Stamm stabil verwurzelt ist, dessen Äste aber im Wind schwingen und sich biegen können.

Aus dieser stabilen Mitte heraus ist das Zwerchfell für Stamm und Äste das verbindende Glied für das ganze Zentralgeflecht, welches Wirbelsäule, Brustkorb und Becken zusammenhält. In der Osteopathie sagen wir: form follows function, aber gleichzeitig function follows form. Das Zwerchfell sorgt für eine dynamische Stimmigkeit, es bringt durch seine Bewegung Dynamik in das Feste. Wir selbst befinden uns durch diese Beweglichkeit der Atmung in einer dynamischen Balance.

Das Zwerchfell ist als Muskel mit den festen Strukturen wie Teile von Rippen und Wirbelsäule fest verwachsen, braucht aber als Membran ständige Bewegung. Und davon ist unsere Gesundheit abhängig: Denn wenn das Zwerchfell in seiner dynamischen Balance / Stimmigkeit gestört ist, folgen Probleme (sieh dazu Reaktive Eigensabotage).

Dabei gibt es Toleranzbereiche, denn eine leichte Dysbalance muss nicht zwingend Beschwerden nach sich ziehen oder Eingriff erfordern – never change a running system. Daher gilt es, diejenigen Dinge herauszufiltern, die großen Einfluss haben und das Gesamtgefüge stören.

Der indirekte Einfluss

Auf Magen und Verdauung:

Das Zwerchfell pumpt die Lungen. Dadurch wird automatisch der darunterliegende Bereich gepumpt, denn beim Einatmen „drückt“ das Zwerchfell auf die Bauchorgane Leber, Darm, und Magen. Die Organe brauchen diese Bewegung für eine reibungslose Funktion, jedes Organ für sich anders.

So reguliert die reibungslose Zwerchfell-Funktion die optimale Spannung des Mageneingangs. Wird diese Funktion gestört, ist der Verschluss des Magens nicht mehr gewährleistet und es kann etwa zu Reflux kommen (eine langfristige Medikamenteneinnahme von Magensäureblockern um Schmerzen zu bekämpfen wäre hier kontraproduktiv).

Durch seine Pumpbewegung massiert und stimuliert das Zwerchfell den Darm mit seinen Darmschlingen. Die überlebensnotwendige Leber – ein stark mit Blut gefüllter Schwamm – wird ebenfalls dynamisch ausgewrungen. Die Bewegung des Zwerchfells unterstützt die natürliche Blutzirkulation in der Leber, die für sehr viele Stoffwechselaufgaben zuständig ist.

Auf die Nieren und Nebennieren

Das Zwerchfell hat auch einen Einfluss auf die Beweglichkeit der Nieren. Über Bandstrukturen sind sie mit dem Zwerchfell fest verbunden. In einem gesunden Körper bewegen sich die Nieren mit der Atmung nach unten und oben. Dieses sanfte Auf- und Absteigen hilft den Nieren/Nebennieren dabei ihren Aufgaben für die Hormomproduktion, Reinigung und Ausscheidung umfänglich gut zu erfüllen.

Auf das vegetative Nervensystem

Das vegetative Nervensystem steuert den Kampf-und-Flucht-Reflex (Stressbewältigung), Ruhephasen, Verdauung und Sexualität. Eine gesunde Zwerchfell-Bewegung pflegt das vegetative Nervensystem von innen: Das vegetative Nervensystem registriert nonstop Reize und steuert im Körper viele wichtige Bereiche wie Gefäße, Blutmenge in die Muskulatur (Bsp. für Flucht), Verdauung, Stressregulierung (Aufrechterhalten oder Herunterfahren). Die Atmung moduliert und stimuliert das vegetative Nervensystem. Anspannung / Energiebereitstellung brauchen wir genauso wie die Entspannung. Die wichtigste Grundvoraussetzung für Gesundheit ist aber genau dieser Wechsel zwischen An- und Entspannung – wir brauchen die Aktivität genauso wie die Pause.

Auf die Psyche

Ängste, Panikattacken, Depressionen – in psychotherapeutischen Behandlungen werden Atemübungen angewendet, mit denen wir neben körperlichen auch psychologische Effekte erzielen. Die Art, wie wir atmen, sendet dem Hirn wichtige Reize: Bei zu flacher Atmung (Panik-/Fluchtmodus) suggerieren wir dem Körper, dass er sich in einem Panikzustand befindet – selbst dann, wenn keine Gefahr (mehr) besteht. Diese Form der Atmung kann eine Panikattacke auslösen. (Erfahre mehr zu den Wechselwirkungen zwischen Ängsten und Körper)

Das Zwerchfell kann die Schmerzwahrnehmung beeinflussen (Bsp.: Zahnarzt, Geburt). Wenn wir einen tiefen, langsamen, ruhigen Atemfluss beibehalten, suggerieren wir dem Nervensystem „es ist alles in Ordnung“. Das wirkt sich positiv auf die Schmerzwahrnehmung aus: Wir nehmen die Schmerzen als weniger stark wahr.

Bei schneller, flacher Atmung oder gar Luftanhalten empfinden wir die Schmerz als stärker.

Ein weiterer Beweis, dass wir oft unseren Atem als stillen Dirigent des Lebens unterschätzen: Er geschieht automatisch und erfordert keine willentliche Anstrengung. Atemübungen sind eine kurzzeitige Methode, mit der wir unseren Zustand beeinflussen und verbessern können. Ihn 24/7 steuern zu wollen, würde jedoch nur stressen.

Auch für die Schutzfunktionen im Körper ist das Zwerchfell wichtig. Rippenbögen, Brustbein, Herz, Brustwirbelsäule, Mageneingang, Übergang von Brustwirbelsäule zu Lendenwirbelsäule, Rippen, Flanken – dieser gesamte mittige Bereich, das Mittelstück des sogenannte Zentralgeflecht, wird von seinem „Herzstück“ Zwerchfell gesteuert und beeinfluss. Hier sorgt das Zwerchfell dafür, dass etwa Verspannungen in diesem überlebensnotwendigen Bereich mit seinen vitalen Organen „umgeleitet“ werden: nichts soll unser Lebenszentrum stören. Der Körper behilft sich daher des intelligenten Tricks, innere Verspannungen in entferntere, verzichtbare Bereiche zu leiten. So kann mein Arm schmerzen, obwohl ein Problem innerhalb des Zentralgeflecht vorliegt.

Wir können dem Zwerchfell dankbar sein, dass es so viele Aufgaben im Körper gleichzeitig erfüllt. Es sollte es uns wert sein, ihm hin und wieder eine Zeit der bewussten Beachtung zu schenken und genau hinzuspüren, wie es ihm gerade geht.

Es ist zwar „nur“ ein Muskel von vielen. Aber dieser Muskel hat es wirklich in sich: Durch seine Bewegung nimmt es Einfluss auf ganz unterschiedliche Körpersysteme (Verdauung, Psyche, Atmung, Statik, Biomechanik, Schlaf).

Es ist zudem ein wichtiger Gradmesser: Durch die Quanti- und Qualität seiner Bewegung und seine vielfältigen Verbindungen in den ganzen Körper können wir Rückschlüsse ziehen auf die Gesundheit des Menschen. Oft liegt die Lösung für Probleme irgendwo beim oder im Zwerchfell.

Für diesen unermüdlichen Dauereinsatz können wir dem Zwerchfell dankbar sein, und zum Glück müssen wir uns nicht über jeden Atemzug Gedanken machen. Das Zwerchfell macht das alles im Alleingang.

Über die Art und Weise, WIE wir atmen, können wir bewusst eingreifen. Der Muskel lässt sich zu einem gewissen Grad bewusst steuern. So können wir uns das Zwerchfell zum Partner machen, um eine direkte Wirkung auf die Gesundwerdung zu erzielen.


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