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funktionelle Erkrankung

Zahnräder die mechanisch ineinandergreifen. Eine Hand greift ein größeres Zahnrad. Eine Funktionelle Erkrankung lässt sich meist gut über biomechanische Verkettungen erkennen und lösen.

Wenn der Schmerz oder die Beschwerde real ist, doch die schulmedizinischen Befunde ausbleiben, liegt meist eine funktionelle Erkrankung, funktionelle Beschwerden oder funktionelle Störung vor. Alle drei Beschreibungen meinen das gleiche. Osteopathie schließt diese Lücke durch Palpation (Ertasten) von Verspannungen, die kein MRT, Röntgen oder Bluttest darstellen kann.

Definiton

Eine funktionelle Erkrankung ist ein anhaltender körperlicher Krankheitszustand der Schmerzen, Verspannungen und verschiedenartige Symptome verursachen kann, ohne dass ein tatsächlicher körperlicher Schaden vorliegt. Dabei können Nerven, Muskeln, Faszien, Gefäße, Gelenke und Organe betroffen sein.

Beschreibung

Schauen wir uns zunächst kurz die Begrifflichkeit „Funktion“ an, um den Kontext von funktionellen Störungen besser zu verstehen:

Definition: Der Begriff „Funktion“ bezeichnet die Aufgabe oder Tätigkeit innerhalb eines größeren Systems oder Kontexts. Er beschreibt die spezifische Weise, wie etwas wirksam ist oder Aktionen ausführt, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen.

Etymologie: Das Wort „Funktion“ stammt aus dem Lateinischen „fūnctio“ (Genitiv „fūnctiōnis“), was „Dienstverrichtung“ bedeutet. Es ist eng verbunden mit dem Verb „funktionieren“, das „reibungslos ablaufen“ oder „seiner Aufgabe gerecht werden“ impliziert. Historisch gesehen bezeichnet es auch die Rolle eines Beauftragten oder eines verantwortlichen Mitarbeiters innerhalb einer Organisation oder eines Verbandes.

Verwendung im Zusammenhang von Erkrankung

Im Kontext funktioneller Erkrankungen bezieht sich der Begriff „Funktion“ auf die normalen oder erwarteten Operationen oder Leistungen eines Körperteils oder Systems. Eine Störung dieser Funktionen führt zu funktionellen Beschwerden oder Krankheiten, bei denen die physiologischen Prozesse beeinträchtigt sind, ohne dass notwendigerweise eine strukturelle Schädigung vorliegt.

Ausnahmslos alle Körperfunktionen können von funktionellen Störungen betroffen sein. Dies schließt alle Aktivitäten ein, die Bewegung umfassen oder auf Nervenimpulsen basieren. Dazu gehören Muskelfunktionen, die Übertragung von Nervensignalen, die Regulation innerer Organe und die Ausführung automatischer Prozesse wie Atmung und Herzschlag.

Praktisch jede Körperfunktion, die auf der Bewegung von Strukturen oder der Leitung von elektrischen Impulsen basiert, kann negativ beeinflusst werden. Dies umfasst, ist aber nicht beschränkt auf, das muskuloskelettale System, das nervöse System und die inneren Organe.

Die Erkennung und Behandlung funktioneller Störungen ist entscheidend, da sie die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können, obwohl sie oft keine sichtbaren Anzeichen oder nachweisbaren organischen Schäden aufweisen.

Auf dem Bild ist ein weißes Herz-Puzzle vor rotem Hintergrund zu sehen. Ein Puzzelteil fehlt. Auch wenn das Bild nicht vollständig ist, so wird doch erkennbar, was auf dem Bild zu sehen ist – es irritiert aber. So ähnlich verhalten sich funktionelle Erkrankungen – nichts ist wirklich kaputt, aber unstimmig.
Funktionelle Erkrankungen: Auch wenn das Bild nicht vollständig ist, so wird doch erkennbar, was auf dem Bild zu sehen ist – es irritiert aber.

Was funktionelle Erkrankungen auslösen

Bevor klar ist, dass es sich um eine funktionelle Beschwerde handelt, herrschen oft Frustration, Enttäuschung oder gar Resignation. Dies entsteht, wenn

  1. funktionelle Beschwerden nicht als solche gedeutet oder übersehen werden.
  2. die Zusammenhänge der funktionellen Beschwerden nicht erkannt werden.
  3. die Therapie nicht den Verursacher der funktionellen Beschwerden präzise trifft, sondern sich nur um die Symptome kümmert.

Funktionsproblem vs. Syndrom

Schulmedizinische Diagnosen, die eigentlich ein Funktionsproblem sind, werden oft als „Syndrom“ verpackt.

„Syndrom“ bedeutet das Zusammenlaufen oder -treffen mehrerer Symptome, deren Kombination für ein Krankheitsbild typisch ist. Herkunft und Zusammenhänge des Problems bleiben schulmedizinisch meist unklar und werden nicht behandelt, weil der Auslöser im Verborgenen bleibt.

Die Schulmedizin tappt dabei in die Falle, sich nur mit genau jener Stelle zu beschäftigen, an der der Schuh drückt.

Diagnose und Behandlung

Die Diagnose funktioneller Erkrankungen gestaltet sich zumeist schwierig, weil die Ursachen der Beschwerden oft verdeckt liegen. Manchmal sind die Beschwerden so stark, dass sie schulmedizinisch abgeklärt werden müssen, um ernsthafte Beschwerden durch geeignete Bildgebung (MRT, Röntgen etc.) auszuschließen.

Anatomisches, physiologisches und funktionelles körperliches Verständnis sind notwendig, um die Beschwerden richtig zu verstehen und zu behandeln. Auch ein geschicktes palpieren (Palpation) ist notwendig um unsichtbare Beschwerden als solche zu erkennen. Osteopathie beschäftigt sich mit genau diesen Teilbereichen und ist gut zur Behandlung funktioneller Erkrankungen geeignet.

„Vor“- und Nachteile funktioneller Erkrankungen

Die „gute Seite“ an einer funktionellen Erkrankung ist, es liegt kein ernsthafter Schaden vor. Es ist also nichts kaputt, nur die Funktion des betroffenen Organs oder Bereichs ist gestört. Wenn die Ursache bekannt ist, fällt die Lösung leicht. Genau hier knüpft aber auch die negative Seite an. Die Ursache des Problems muss richtig erkannt und gedeutet werden, um sie effektiv zu therapieren.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede von funktionellen und strukturellen Erkrankungen

Funktionelle und strukturelle Beschwerden haben meist Überschneidungen. Je früher Funktionsbeschwerden gelöst werden, umso weniger schleifen sich unumkehrbare strukturelle Beschwerden ein. Denn je länger Du mit funktionellen Beschwerden lebst, desto mehr formt sich Dein gesamter Körper danach.

Der größte Unterschied zwischen beiden: Im Gegensatz zur funktionellen Erkrankung hat eine strukturelle Erkrankung objektiv darstellbare Schäden.

Anschauliches Beispiel Autofahren

Um bildlich zu sprechen: Sagen wir, Du fährst mit Deinem Auto gegen einen Bordstein (ein unbedeutender Unfall), dadurch verzieht sich die Spur der Achse. Auf gerader Fahrbahn würde das Auto von sich aus eine Kurve fahren, sobald Du das Lenkrad loslässt; es zieht also von alleine nach links oder rechts. Das stellt vorerst kein großes Problem dar. Du kannst problemlos von A nach B fahren, solange Du das Lenkrad festhältst.

Wenn Du das aber ignorierst und viele Kilometer so fährst, werden Deine Laufräder sich unweigerlich einseitig abnutzen, da das Profil sich asymmetrisch abfährt. Je früher Du die Spur wieder einstellen lässt, umso weniger gravierend fällt die einseitige Abnutzung aus, die den Reifen verschleißen lässt und verfrüht unbrauchbar macht.

Einseitige Abnutzung

Genau so geschieht das bei uns im Körper. Ich habe mir früher oft die Frage gestellt, wie es sein kann, dass Patienten mit einseitigem Knie- oder Hüftgelenkverschleiß in meine Praxis kommen – wo also das andere Bein keine Probleme bereitet und der Röntgenbefund keinen Verschleiß aufweist.

Was ist hier passiert? Ist der-/diejenige sein/ihr Leben lang auf einem Bein gehüpft und hat so einen einseitigen Verschleiß herbeigeführt? Antwort: Nein, vermutlich war die „Spur“ verstellt wie im obigen Beispiel mit dem Auto.

Warum nutzt sich ein Gelenk überhaupt einseitig ab?

Dies geschieht, wenn es über Monate und Jahre hinweg eine funktionelle Beschwerdekette im Körper ausgleichen muss und sich dadurch verfrüht abnutzt. Ein Beispiel: Du hast eine unerkannte minimale Beinlängendifferenz oder leichte Fehlstellung der Hüfte. Ein Bein übernimmt automatisch mehr Arbeit, um die Schwäche des anderen Beines auszugleichen. Das Ergebnis, den Verschleiß, nennen wir strukturelle Veränderung.

Die Struktur (in dem Fall das Gelenk) ist unwiederbringlich verschlissen, Knorpelwiederaufbau funktioniert leider nur sehr begrenzt. Auch wenn Du strukturelle Schäden hast (Verschleiß/Arthrose, Narbengewebe oder Verformungen wie Skoliose), können funktionelle Beschwerden für Deine Probleme zumindest teilweise mitverantwortlich sein.

Rangfolge – vom Funktionsproblem zum Strukturproblem

Richtig schwierig wird es , sobald die funktionellen Beschwerden sich über einen langen Zeitraum einnisten und zu einer strukturellen Erkrankung werden. Der Ablauf ist dabei in der Regel gleich:

  1. Ein Ereignis tritt ein, das die Funktion im Körper beeinträchtigt (etwa durch Sturz, Stoß oder Stresssituation).
    –> Es verursacht (meist schleichend) eine funktionelle Beschwerde:

  2. Der Körper registriert eine Irritation und antwortet darauf. Erste unscheinbare Symptome zeigen sich, das kann ein leichtes ziehen sein.
    –> Sie sind oft so „leise“, dass wir sie kaum wahrnehmen.
     
  3. Mit zunehmender Schwere nehmen Körperreaktionen zu. Der Körper wird etwas „lauter“, mehr Symptome treten zutage (als eine Art Hilfeschrei des Körpers), es liegt noch keine wirkliche strukturelle Erkrankung vor.
    –> Das ist der Zeitpunkt, ab dem wir ein funktionelles Problem erkennen und behandeln können.

  4. Im weiteren Verlauf verstärken sich die Reaktionen und werden häufiger. Nun fängt es an, Dich zu stören oder stärker zu schmerzen.
    –> Ignorierst Du diese Phase, kann es zu Langzeitveränderungen am Körper kommen: Die Funktion ist nicht mehr gut, aber noch ausreichend.

Der Körper versucht, das Problem auf seine Art zu lösen. Er tut dies mit Immobilisierungen (ein Gelenk wird unbeweglicher z.B. durch eine Blockade) und Versteifungen, um den Bereich zu schonen. Die dadurch veränderte Funktion wird anschließend die Struktur verändern:

Ein Gelenk ist nicht mehr optimal ausgerichtet und beginnt, durch einseitige Beanspruchung zu verschleißen. Dies führt zu bleibenden Beschwerden, die auch schulmedizinisch unübersehbar werden, etwa im Röntgenbild. Umgekehrt beeinflusst das die Funktion, so dass vermehrt Bewegungseinschränkungen auftreten.

Beispiel Lendenwirbelsäule

Ein stiller, aber stetiger Prozess kann dazu führen, dass erste Symptome von Lendenwirbel-Beschwerden völlig unspezifisch oder gar nicht wahrnehmbar sind. Das Knifflige: Schmerz ist sehr hilfreich!

Er ist ein deutliches Signal dafür, dass etwas nicht rundläuft. Doch nicht jede Beschwerde schmerzt. Erst wenn der Körper eine gewisse Dauer mit Spannungsstörungen verbringen musste, zeigen sich allmählich Befunde, die wir bildlich greifen können – durch Röntgen, MRT oder Ultraschall etwa.

So kann etwas, das wir zunächst als leichtes Ziehen wahrnehmen, sich über Jahre zu strukturell sichtbarem Verschleiß entwickeln, weil die Störung nicht behoben wurde. Ein Klassiker sind Verspannungen der Lendenwirbelsäule, die zu einem Bandscheibenvorfall führen. Ab hier sprechen wir von strukturellen Veränderungen. Ein langsamer Verlauf, den wir oft spät merken, weil wir unachtsam mit uns sind.

Das korrekte Deuten von funktioneller Erkrankung

Was ist also, wenn viele Schmerzgeplagte unter funktionellen Beschwerden leiden, die Beschwerden aber nicht richtig gedeutet und unpassend behandelt werden? – Richtig, dann können die Ergebnisse nicht besser sein, als die Statistiken zeigen:

Zum Beispiel ist Rückenschmerz in Deutschland im Jahr 2022 immer noch auf Platz eins der Ursachen für Arbeitsunfähigkeit (Quelle: Statista). Viele Arztbesuche bleiben bei Rückenschmerzen ohne klaren Befund und werden medikamentös mit Schmerzmitteln behandelt, die das Symptom Schmerz nur unterdrücken. Leider gibt es noch zu wenige Ärzte und Therapeuten, die sich im Feld für funktionelle Erkrankung auskennen.

Sich damit zu beschäftigen würde dem Gesundheitssystem nicht nur Geld, sondern zudem vielen Menschen eine Menge Zeit sparen und eine weitaus höhere Lebensqualität verschaffen.

Die Betroffenen müssten keine Lebenszeit mit falscher Therapie vergeuden, wie ich es selbst über drei Jahre tat. Stattdessen könnte gezielt die Ursache behandelt werden, die den Zustand hervorgerufen hat, weiter unterhält oder wiederkehren lässt.


Erfahre hier welche funktionellen Erkrankungen durch Osteopathie und manueller Medizin gut behandelbar sind.


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