Wissen über intuitives manuelles Behandeln

Rückenschmerzen neu gedacht

Frau in weißem Top und Jeanshose fasst sich mit ihren Händen an den oberen und unteren Rücken. Rückenschmerzen erleben ca. dreiviertel der deutschen Bevölkerung mindestens einmal innerhalb des Lebens.

Es zwickt und zwackt, schmerzt und spannt: Die Volkskrankheit Rückenschmerzen betrifft rund jeden dritten Erwachsenen und jedes fünfte Kind in Deutschland. Damit steht sie auf Platz drei der Hauptursachen für Arbeitsunfähigkeit.1

Ca. 75 Prozent aller Menschen ereilen mindestens einmal im Leben Rückenschmerzen. Je nach Ausprägung können sie uns stark einschränken und Folgebeschwerden nach sich ziehen.

Grund genug, dass wir uns mit dem Thema Rückenschmerzen vertraut machen.

Grob gesprochen gehört zum Rücken alles unterhalb des Kopfes, was auf der Rückseite des Körpers von der Halswirbelsäule abwärts bis zum Gesäß verläuft. Auch die Region von Schultergürtel und Schulterblättern bis zum Becken ist topografisch Teil des Rückens. Die Rückseite des Brustkorbs mit den Rippen, der hinten an die Wirbelsäule anschließt, stellt ebenfalls einen Teil des Rückens dar.

Im Rücken laufen verschiedene Verkettungen und Kraftlinien zusammen. Durch diese Schnittmengen und Ketten aus vielen Bereichen – Beine und Becken, Schultergürtel und Arme – laufen Kräfte, die den Rücken vielerorts oberflächlich oder tief kreuzen.

Der Rücken können wir uns wie ein Autobahnkreuz vorstellen, an dem mehrere Autobahnen zusammenkommen: Fließt der Verkehr geschmeidig und gleichmäßig, läuft es überall insgesamt rund. Staut es sich jedoch auf einer der Autobahnen, hat das Auswirkungen auf die ganze Struktur:

Es entstehen zum einen lokale Schmerzen an den Punkten, die „gestaut“, verspannt oder blockiert sind. Zum anderen können die Schmerzen in weiter entfernten Bereichen empfunden werden. Verantwortlich sind zahlreiche Nervenverästelungen, die fast alle ihren Ursprung in der Wirbelsäule haben und den Schmerzreiz weitertragen.

Die Wirbelsäule mit ihren insgesamt 24 Wirbeln ist ein wahres Wunderwerk biomechanischer Architektur. Sie ist einerseits extrem beweglich, andererseits sehr robust und stabil. Zwischen jedem Wirbelsegment tritt ein Nervenpaar rechts und links aus:

  • In der Halswirbelsäule entspringen die Nerven für Arme und Hände,
  • In der Brustwirbelsäule entspringen zwischen den Rippen die Nerven für Rücken und Bauchwand,
  • In der Lendenwirbelsäule entspringen die Nerven, die u.a. den Ischias mitbilden und in Beine und Zehen hineinziehen.

Besonders häufig betroffen sind diejenigen Nerven, die das Nervengeflecht der Lendenwirbelsäule bilden – tragen sie doch die meiste Last. Daher treten etwa 80 Prozent aller Rückenschmerzen im unteren Drittel des Rückens auf. Akute Rückenschmerzen in dieser Zone nennt man Lumbago, bekannter unter dem Namen „Hexenschuss“. Diese Region grenzt von innen direkt an das Zwerchfell an.

Das Zwerchfell ist unser Hauptatemmuskel, das quer durch den gesamten Rumpf gespannt liegt. Neben der Atembewegung ist es gleichzeitig der Motor für das Zentralgeflecht. Verspannungen des Zwerchfells und des Zentralgeflechts sind meiner Erfahrung nach die Hauptursache für unspezifische Rückenschmerzen – also solche Schmerzen, bei denen die herkömmliche Diagnostik versagt, weil Störungen hier nicht auf Bildern sichtbar sind.

Die Haut am Rücken hat eine relativ große Oberfläche, hier laufen Muskeln und Faszien entlang. Die Faszien auf dem Rücken unterscheiden sich von denen auf der Vorderseite, da sie eine andere Funktion erfüllen:

Die Rückseite richtet uns auf. Die Fasern in der Rückseite haben daher eine andere Struktur und Beschaffenheit – sie reagieren langsamer, haben aber eine höhere Ausdauer, um uns unermüdlich einen aufrechten Stand zu ermöglichen. Langsam, behäbig, aber stabil – wie eine Schildkröte.

Und gleichzeitig so agil und schnell wie ein Hase:
Die Vorderseite kann sich hingegen schnell verkürzen und uns dabei helfen, uns klein und rund zu machen – etwa als Schutz vor Gefahr oder Kälte. Diese Faszien reagieren schnell auf Stressreize und schützen die Lebenswichtigen Organe der Bauchregion. Da wir auf drohende Gefahren schnell reagieren müssen sind die Fasern der Vorderseite besonders schnell. Leider verspannen sie auch häufig bei chronischem Stress, selbst dann wenn keine wirkliche Gefahr lauert.

Rückenschmerzen entstehen meist dann, wenn die Balance zwischen Vorder- und Rückseite gestört wird: Sind wir beispielsweise auf der Vorderseite etwas zu kurz, wird dafür die Rückseite chronisch überdehnt.

Überlastungsschmerzen

Ich hebe eine Kiste an oder binde mir die Schuhe. Plötzlich knallt es „hinten rein“ – der berüchtigte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Er löst eine körperliche Reaktion in Form von Schmerzen aus: Wir haben uns ganz klassisch verhoben. Nun empfinden wir Schmerzen im unteren Rücken, d.h. in der Lendenwirbelsäule (Lumbago / Hexenschuss).

Nicht immer sind die Verursacher unserer Rückenschmerzen Muskeln, Nerven oder Faszien. Sie können auch im Organbereich liegen – wir nehmen die Schmerzen dann im Rücken wahr, obwohl ihre Ursache woanders liegt. Hier fungiert unser Rücken wie eine Projektionsfläche.

Schmerzen die Ihren Ursprung nicht im Rücken haben

Wenn eine (chronische) Verspannung an Herz oder Lunge vorliegt, kann sich das als chronischer Rückenschmerz im Bereich der Schulterblätter äußern. Steckt kein erkennbar organisches Problem dahinter, können wir auf das Zentralgeflecht verweisen:

Vermutlich besteht hier eine Spannung im Bereich Herz-Leber-Lunge-Magen, Darm oder der Beckenorgane. Als Therapeuten wissen wir, wie wir diese Spannung manuell auflösen können, damit in der Folge die Rückenschmerzen verschwinden.

Weiteres Beispiel: Bei Rückenschmerzen während der Menstruation strahlt die Verspannung in der Gebärmutterregion nach hinten in den unteren Rücken aus.

  • Verschiedene Arten von Verspannung – oberflächlich oder tiefliegend
  • Blockaden im Bereich der Wirbel, Rippen, Schultergürtel, oder des Beckens
  • Atmung: schräge oder schiefe Atmung spannt den inneren Kern so an, dass die Rückseite des Brustkorbs in Schieflage gerät (Reaktive Eigensabotage).
  • Gängige Rückenprobleme: Hexenschuss, Bandscheibenvorfall, Verspannung
  • Im Zusammenhang mit der Menstruation: Endometriose, Hormonstörung

Wenn sie plötzlich und / oder erstmals auftreten, sich hartnäckig halten und / oder  unerklärliche Ursache haben. Dann ist wichtig, dies medizinisch abklären zu lassen.

Denn hinter Rückenschmerzen können auch schwere und ernste Erkrankungen stecken, u.a.:

  • Herzinfarkt,
  • Tumorerkrankungen,
  • Nervenschädigungen u.v.m.

Weitere gängige Ursachen

  • Verletzungen: Stürze, Verstauchungen uä
  • Haltungsschäden, Fehlbelastung, Überbeanspruchung, Bewegungsmangel, falsch ausgeführte Sportübungen
  • Psyche: Stress oder dauerhafte Belastungen können sich in Rückenschmerzen äußern. Wenn wir Stress empfinden, wird das Hormon Adrenalin ausgeschüttet, bei dem sich Faszien zusammenziehen. Chronisch führt dies zu einem erhöhten Schmerzempfinden.

Beim ersten Auftauchen ist sinnvoll, dass Du Dich in ärztliche Behandlung begibst, um die Rückenschmerzen abzuklären.

Bei einer nicht lebensbedrohlichen Ursache hast Du viele Möglichkeiten, den Rückenschmerzen in Eigenregie etwas entgegenzusetzen:

  • Lockere sowie sportliche Bewegung: Rückengymnastik, Krafttraining, Pilates, Yoga, Spaziergänge
  • nicht zu lange am Stück sitzen
  • Übergewicht eingrenzen

Wenn all das keine langfristige Lösung oder Verbesserung bringt, liegt die Ursache vielleicht etwas tiefer: Mach gerne im ersten Schritt unseren Selbsttest zur gesunden Atmung. Gibt es Auffälligkeiten? Dann schau Dich mal in unserem umfangreichen Katalog an Atemübungen um.

Lässt es sich nicht beheben, schauen wir gerne gemeinsam nach einer Lösung in unserer osteopathischen Praxis. Es könnte eine Spannung im Zentralgeflecht vorliegen, die wir als geschulte Therapeuten beheben können.

Bei allen Möglichkeiten, die es zur Selbstheilung gibt: Finde Dich mit Deinen Schmerzen nicht ab. Rückenschmerzen können das Wohlbefinden nachhaltig einschränken. Sie sind – wie alle Schmerzen – ein Zeichen für eine Fehlfunktion im Körper.

Rückenschmerzen sind ein breites Feld und können vielfältige Ursachen haben. Ihnen auf die Spur zu kommen und sie dauerhaft zu beheben, kann eine knifflige Angelegenheit sein. Du darfst sie ernst nehmen und ihnen nachgehen, bist dabei aber nicht auf Dich alleine gestellt.


  1. Quelle: Statista ↩︎

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