Reaktive Eigensabotage ist ein Zustand der durch eine ungünstige Atmung von innen körperliche Blockaden erzeugt. Hier erklären wir die Zusammenhänge und Ursachen.
Warum schaden wir uns selbst?!
Es läuft leider nicht immer rund
Zu uns kommen Menschen, bei denen eigentlich nichts kaputt ist. Für diese Menschen ist das oft schwierig zu verstehen: Sie empfinden Schmerzen, haben Probleme, aber eine “offizielle” Diagnose haben sie keine.
Diesen Zustand können wir Therapeuten von außen, bekannt nach den Grundsätzen der Movistik fühlen. Denn obwohl das Problem sich mit den klassischen Bildgebungsverfahren (Röntgen, MRT, CT etwa) nicht beweisen lässt, ist es körperlich manifestiert – etwas, das man körperlich fühlen kann (z.B. eine Verspannung).
Gestörte Selbstheilungskräfte
Wenn alles stimmig ist, ist der Körper normalerweise in der Lage, seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren, um sich selbst zu heilen. Diese Grundvoraussetzung wird in der Schulmedizin übersehen: Ihr fehlt das Gespür dafür, auf die Zusammenhänge zu achten. Oft äußert sich dieses Übersehen darin, dass das Zwerchfell nicht beachtet wird.
Auch die in der Osteopathie so wichtige Arbeit mit den Händen, das Tasten und Fühlen, wird nicht eingesetzt – diese Arbeit sei nicht objektiv.
Wichtiges Zusammenspiel
Um das Zusammenspiel von körperlichen Beschwerden, Herz und Zwerchfell als Zentrum des sog. Zentralgeflechts geht es in diesem Überblicksartikel zur Reaktiven Eigensabotage. Ich habe diesen Begriff erdacht, um auszudrücken, dass unser Körper im “Fehlermodus” auf Probleme reagiert, indem er sich selbst sabotiert. Was ich damit meine und wie wir dagegen konstruktiv vorgehen können, erfährst Du in den nächsten Absätzen.
Das Zwerchfell, unser unterschätzter Motor und Antreiber
Wie funktioniert Atmung (im “Normalzustand”), welche Rolle spielt das Zwerchfell?
In meiner Lehre und Praxis ist das Zwerchfell das Zentrum unseres Körpers. Auf der Prioritätenliste steht es für mich klar auf #1: Es ist der Motor für das Zentralgeflecht und hält uns von innen heraus in Bewegung. Diese Bewegung ist wichtig, damit wir von innen gesund bleiben.
Innere und äußere Bewegung
Wir bewegen uns nämlich in zwei Richtungen:
Das Bewegen, etwa im Sinne von Joggen oder Schuhebinden, ist eine aktive muskuläre Bewegung im Raum, nach außen gerichtet.
Wir bewegen uns aber auch innerlich, bspw. wenn wir schlafen – Herzschlag und Blutzirkulation einerseits, Zwerchfellbewegung andererseits. Auch Becken, Bauchraum, Thorax bis Kopf werden durch die Atembewegung beeinflusst.
Ich nenne dies die primäre Ebene, die für das Überleben und unseren Körper die höchste Priorität hat.
Prio #1 – Die Vitalparameter
Es hängt damit zusammen, dass Atmung und Kreislauf sog. Vitalparameter sind.
Vitalparameter haben wir insgesamt vier: Puls (Herzschlag), Blutdruck, Atemfrequenz und Körpertemperatur. Sie sind alle messbar (durch Fingerauflegen und Mitzählen, durch Geräte, …) und die wichtigsten Indikatoren dafür, dass wir leben und ob wir gesund sind. Sie dominieren neben Essen, Trinken und Schlafen:
Während wir tage-, gar wochenlang ohne Essen auskommen können, ist eine so lange Unterbrechung bei Vitalparametern nicht möglich. So können wir kurz die Luft anhalten, der Kreislauf kann kurz zum Erliegen kommen, doch dann wird es sehr schnell sehr kritisch.
Der Körper weiß das intuitiv; er ist darauf ausgerichtet, zu überleben. Er kann Krisen abpuffern, aber nur bis zu einem gewissen Maß. Bei zu vielen Problemen – durch Unfall, Stress, Spannung, ungünstige Körperhaltung – gerät dieses flexible und fragile “Zentralgeflecht” bestehend aus Zwerchfell und Herz sowie den übrigen Organaufhängungen mit seiner Bewegung aus dem Gleichgewicht.
Wenn ein Ungleichgewicht entsteht
Was genau ist nicht mehr harmonisch?
Amplitude
Mit Amplitude ist der Ausschlag, bspw. die Atemtiefe gemeint: so atmen wir z.B. bei Stress flacher und mängenmäßig (quantitativ) häufiger oder vergessen vor lauter Stress gleichmäßig zu atmen.
Rhythmus
Im Idealfall kann sich das Zwerchfell gleichmäßig anspannen, und alle Teile sind gleichmäßig zur Bewegung in der Lage. Bei einer Spannung im Zentralgeflecht etwa kann das Zwerchfell gestört werden. Es ist somit gleichzeitig Motor und Teil desselben. Es ist darauf angewiesen, dass die inneren Teile es in Ruhe und gleichmäßig seine Arbeit machen lassen.
Richtung
Das Zwerchfell arbeitet normalerweise parallel, symmetrisch und gleichmäßig. Bei einer Störung bewegt es sich bspw. mehr einseitig, im hinteren Bereich oder schräg. Erfahre hier mehr zu der richtungsweisenden Atemachse.
Das Zentralgeflecht und die reaktive Eigensabotage
Das Zwerchfell spielt als zentraler Motor bei der Atmung eine unverzichtbare Rolle. Kommt es zu einer Störung der Harmonie von Amplitude, Rhythmus und/oder Richtung der Atmung – etwa verursacht durch Stress –, hat dies Auswirkungen auf den Rest des Körpers:
Schmerz und Ursache
Es kann an verschiedenen Stellen zu Problemen kommen, und zwar so, dass wir uns der Ursache nicht bewusst sind. Die Auswirkungen, z.B. Schmerzen, nehmen wir wahr – bei einem schmerzenden Ellenbogen denken aber nur die wenigsten von uns an eine gestörte Atmung.
Ich spreche daher im Folgenden von einer Störung im sogenannten Zentralgeflecht, dem im Wortsinne Herzstück unseres Körpers. Hier bilden Lunge, Zwerchfell und Herz eine starke Einheit: Ist einer der dreien betroffen, zieht das die anderen beiden in Mitleidenschaft.
Störung im Zentralgeflecht
Die Störung im Zentralgeflecht – ausgelöst durch eine Störung in der Harmonie von Amplitude, Rhythmus und/oder Richtung der Atmung – verursacht die Reaktive Eigensabotage. Meine Wortschöpfung beschreibt gut, was ich seit 2007 an tausenden Patienten beobachtet habe:
Zunächst ist ein Problem minimal. Eine leichte Verschiebung in der Symmetrie des Zwerchfells etwa. Klingt banal, hat aber enorme Auswirkungen: Wir atmen rund 20.000 mal pro Tag. Das reicht, damit diese minimale Abweichung sich manifestieren kann und weitere Probleme nach sich zieht. Durch die hohe Bewegungsanzahl des Zwerchfells schleifen sich kleine Probleme schnell ein und sorgen für größere Probleme.
Der große Zusammenhang, ausgelöst im Zentralgeflecht
Unseren Körper können wir in drei Bereiche einteilen, je nach ihrer Wichtigkeit für unser Überleben.
Prio 1: Atmung und Kreislauf – ohne geht es nur sehr kurzfristig, absolut überlebensnotwendig. Dies ist der primäre Bereich.
Prio 2: Kopf, Becken, Wirbelsäule und Rippen – der sekundäre Bereich, der unsere Organe beherbergt, das Zentralgeflecht umschließt und das Grundgerüst darstellt.
Prio 3: Extremitäten – dieser tertiäre Bereich bestehend aus Armen und Beinen mit Händen, Füßen, Fingern und Zehen ist wichtig, aber für das Überleben verzichtbar.
Störungen in Prio 1 verursachen Probleme in Prio 2 und 3
Läuft es im Zentralgeflecht nicht rund, entstehen mit der Zeit Probleme im sekundären oder tertiären Bereich. Dort zeigen sich Beschwerden, ohne dass wir die Quelle oder Ursache erkennen. Denn normalerweise gehen wir doch so vor: Schmerzt der Ellbogen, gehen wir zur Orthopädin und nicht zum Internisten. Kurz: Wir erkennen die Zusammenhänge nicht und suchen an der falschen Stelle nach der Ursache.
Ein weiteres Beispiel: Bluthochdruck
Der Körper ist ziemlich geschickt: Er versucht stets, uns zu schützen und Probleme zu umgehen, in dem er sie von den überlebenswichtigen Teilen – der primären Ebene – wegleitet.
Wenn bspw. die Atmung schräg läuft, übt das Druck auf den Brustkorb aus. Das wiederum erzeugt Gegendruck am Herz, der sich in Bluthochdruck zeigen kann. Denn Druck erzeugt immer den gleichen Gegendruck. Der Körper registriert das, belastet die vitalen Teile aber nicht weiter, um den primären Bereich zu entlasten.
Stattdessen leitet er die dort entstehenden Probleme weiter auf andere Bereiche. Er sendet quasi die Spannung in den tertiären Bereich, da ein Knie „verzichtbar“ ist, das Herz aber entlastet werden soll.
Das Problem dabei ist, dass wir uns dessen nicht bewusst sind. Unser Gegner ist das Sich-dessen-nicht-bewusst-Sein, weil wir uns über chronische Beschwerden wundern, statt an die Wurzel zu gehen. Das Ziel: ganz nah an die Wurzel zu kommen.
Zusammenfassung: Reaktive Eigensabotage
Dies ist die Reaktive Eigensabotage: Bei einem Problem entscheidet der Körper, wohin er die Auswirkungen verlagert, um den primären Bereich zu schützen. Er reagiert auf dieses Problem, indem er einen anderen sabotiert, den er für weniger wichtig erachtet. Dort zeigen sich Beschwerden und Schmerzen, die jedoch an anderer Stelle entstanden sind.
Hier liegt die Stärke der Osteopathie. Durch Tasten und Fühlen, Spüren und Hilfe zur Selbsthilfe sowie einen ganzheitlichen Blick für die großen Zusammenhänge kommen wir den Ursachen auf die Schlichte. So können wir Probleme an der Wurzel lösen.
Dies sind die Atemarten, die eine Sabotage anderer Körperbereiche auslösen:
Ankeratmung, Bogenatmung, Diagonalatmung, Stufenatmung und Trommelfeueratmung
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